18
06 30 . . . Eine der Schulen von Tlön kommt zur Leugnung der Zeit: Sie stellt die Überlegung an, daß die Gegenwart undefiniert sei, daß die Zukunft nur als gegenwärtige Hoffnung Wirklichkeit habe, daß die Vergangenheit nur als gegenwärtige Erinnerung Wirklichkeit habe. Eine andere Schule behauptet, daß bereits die ganze Zeit abgelaufen, und daß unser Leben nur die nachdämmernde Erinnerung oder der unzweifelhaft verfälschte und verstümmelte Widerschein eines unwiederbringlichen Vorgangs sei. Eine andere behauptet, daß die Geschichte der Welt – und darin unser Leben und die geringfügigste Einzelheit unseres Lebens – die Schrift einer untergeordneten Gottheit sei, die sie verfertigt, um sich mit einem Dämon zu verständigen. Eine andere, daß die Welt mit jenen Kryptogrammen zu vergleichen sei, in denen nicht alle Zeichen gültig sind, und daß Wahrheit nur das sei, was einmal alle dreihundert Nächte geschieht. Eine andere, daß während wir schlafen, wir woanders wachen, und daß so jeder Mensch zwei Menschen sei. . . .
Jorge Luis Borges, "Tlön, Uqbar, Orbis Tertius"
|