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09 15 Die Zeit der Seelenlosen
" ... Wenn jemand einer Reise macht, braucht dessen Seele drei Tage, um ihren Körper wieder einzuholen. Das sagten die Indianer. Diese reisten zu Fuß, zu Pferd und per Kanu.
Bringt man dieser Weisheit den ihr gebührenden Respekt entgegen und überträgt sie auf das Heute, so könnten sich schwindelerregende Konsequenzen eröffnen. Menschen, wie auch akustische und visuelle Informationen rasen in Blitzesschnelle um die Erde. Also müssten wir in einer die Seele weit zurückgelassenen Zeit leben, einer Seelenlosen. So eindimensional kann diese Metapher nicht übernommen werden. Als Einstieg zu folgenden Betrachtungen scheint sie mir jedoch anregend. Original-Kunstwerke werden fotografiert. Es entsteht eine neue Wirklichkeit, eine dem Original entrückte. Diese wird wiederum reproduziert und erreicht als bunte Abbildung in Zeitschriften und Katalogen die Interessierten in aller Welt. In gleichem Maße wie die Flut dieser Druckerzeugnisse steigt, nimmt die Fähigkeit und Bereitschaft des Betrachters ab, den Weg zum Ausgangspunkt, zum Original und dessen Seele, zurückzufinden. Der Ab-Bild-Konsument verliert die Erfahrung der Vertiefung und kompensiert diesen Verlust mit einem steigenden Bedarf nach immer mehr und immer wieder neuen Ab-Bildern. Dieser schnelle Augenschmaus, dieses Lecken an der Oberfläche, provoziert eine Beschleunigung des Verzehrs; substanzloser Schnell-lmbiss, welcher nach minimalster Verdauung schnell wieder ausgeschieden wird. ... " Peter Emch, Februar 1989
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